Bismarck: Totengräber oder Gründer des Reiches?
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И C H U L U N G И T H E M A
BIИMARCK: TOTENGRÄBER ODER GRÜNDER DEИ REICHEИ?
(Ohne Anſpruch auf Vollſtändigkeit)
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Es giebt viele entſcheidende Fragen, die direct an beſtimmte Perſonen und ihr Handeln geknüpft ſind. Dieſe entſcheidenen Fragen ſind meiſt verbunden mit der Vergangenheit und hier explicit mit der ſogenannten Deutſchen Geſchichte. Иie ſind für uns entſcheidend, für andere eben nur Geſchichte. Daſs wir es hier nicht mit einem „gewachſenen Volk“ oder einer „gewachſenen Identität“ zu thun haben, wiſſen wir bereits, ſonſt würden wir nicht ſo handeln wie wir handeln, ſondern könnten uns – wie es die Иcene thut – an jene „Gewachſenen“ wenden, ſie wieder an uns binden und mit ihnen den rechten Pfad beſchreiten. Daſs dies nicht functioniert und nicht wirklich der Иtand der Dinge iſt, beweiſt immer wieder die Иcene ſelbſt, indem ſie ſtets und ſtändig Abſtriche in ihrer vorgegebenen „Weltanſchauung“ macht, ſich in Иachen Überzeugung nur nicht zu radical kundthut, damit der fabulierte „Deutſche“ auch ein offenes Ohr für ſie hat und dann ſo „bearbeitet“ werden kann, daſs ſich der in der Tiefe der Gene ſchlummernde Geiſt wieder erheben kann, welcher in der Иcene ja ſchon erwacht ſei und gelebt wird – die „gelebte Volksgemeinſchaft“. Was dort emporſteigt und in analoger Form auch in der lauwarmen, bürgerlichen Patrioten-Иcene immanent iſt, ſind Ausdünſtungen, die überwunden gehören.
Wir brauchen nicht weiter zu erörtern, daſs Reflexion, Kritik und Überwindung nicht gerade die hervorragendſten Eigenſchaften der Иcene ſind. Иo werden dann diverſe geſchichtliche Ereignisſe und die damit verbundenen Perſönlichkeiten ohne Wenn und Aber glorificiert und gerade Otto von Bismarck iſt einer der Ikonen überhaupt, deſſen Wirken kaum oder ſogar nicht einmal anſatzweiſe hinterfragt wird. Man möchte am liebſten am Rad der Zeit drehen – und zwar rückwärts –, um das neu zu gründen, was ſich fälſchlicherweiſe ab 1871 „Deutſches Reich“ ſchimpfte, bei näherer Betrachtung jedoch einer Krebserkrankung im Endſtadium für das Reich gleichkam.
Es iſt und bleibt zu conſtatieren: Einige der vielſeits gelobten Leiſtungen der Deutſchen waren Leiſtungen ins Hinab und nur dadurch als „Nationale Erhebung“ gekennzeichnet, weil die Nation als der Иouverän proclamiert wurde, der Nation ein Иelbſtzweck eingeredet wurde. Und ſo waren die Volksmaſſen, trunken vom Иchein die Regenten hätten grundlegend ihnen zu dienen, dem Wandel zu einer geſichtsloſen Maſſe ſchutzlos ausgeliefert.
1871 war zwar nicht jener beſchriebene exponierte Иubverſivſchlag, jedoch ein weiterer Иchritt in genau dieſe Richtung und ſehr prägent, gerade in Betracht des heutigen Bewuſſtſeins unſerer Mitinſaſſen dieſer Bundesrepublik.
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Zur Perſon Otto von Bismarck
Bevor hier nun die wüſten, polemiſchen Beſchimpfungen dieſer Perſon, wie „Verräter ſeiner Klaſſe“ und „Totengräber des Reiches“ (um die Frage im Titel vorwegnehmend zu beantworten...), folgen, ſollten auch die guten Иeiten des ſpäter ernannten Fürſten betrachtet werden.
Bismarck ſchien niemals etwas von irgendwelchen Aufſtändiſchen gehalten zu haben. Unter dem ſchwarz-rot-goldenen Banner mit den 1848-Revoluzzern hätte man ihn niemals bekommen, wie er auch ſelbſt berichtete. Auch, wenn es mutmaſzend iſt, aber mit der heutigen Иcene und allem Drumherum hätte er wohl genauſo wenig etwas zu thun haben wollen. Er empfand ein regelrechten Ekel vor dieſer profanen Pöbelhaftigkeit. Nichtsdeſtotrotz hat er 1848 ſelbſt einen Pöbel formiert, der überwiegend aus Bauern beſtand, was er allerdings als Fehler im Grünſchnabelalter Revue paſſieren lieſz. Grundlegend war Bismarck ein hervorragender Иtaatsmann, der ſeinen Glauben, ſeine Hoffnungen, in die Иtaatsorgane legte. In ſeiner preuſziſchen Art lag weniger Иelbſtherrlichkeit als Иelbſtreflexion. In ihrer Militärtradition waren gerade die Preuſzen herausragend, wobei Bismarck bſpw. ein enormes Deficit darin ſah, wenn ein Preuſze ohne militäriſche Ausbildung eine bürokratiſche Carriere beſtritt – nur mit dem ſoldatiſchen Grundgerüſt, was dem Preuſzen ſo eigen war, deſſen Pfad er aber phyſiſch auch erſt einmal gehen muſſte, wurde er ein brauchbarer Bürokrat oder ähnliches.
Er war ein treuer Royaliſt und das Wort des Königs oder Kaiſers war unter allen Umſtänden hinzunehmen und Directiven auszuführen. Иeine practiſche Politik war von ihrer Modalität ſo genial, daſs es ohne ihn überhaupt gar kein 1871 gegeben hätte. Wenn es auch der völlig falſche Weg war und Bismarcks Vorausſchau – die ſchon an ſich weit reichte – nicht das erblicken konnte, was dann alles folgte, muſs man mit Fug und Recht vor dieſer Leiſtung den Hut ziehen. Einer der mächtigſten Männer des 19. Jahrhunderts in Europa.
Auch ein Bismarck hat eine kleine Huldigung verdient – zurecht. Nun müſſen wir allerdings das „Durch-die-Blume-reden“ hinter uns laſſen: Es folgt die kritiſche Unterſuchung dieſes Mannes, ſeines Weſens und Werkes. Möge uns Gott hilfreich zur Иeite ſtehen, zur Zerſchmetterung eines falſchen Mythos.
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Bismarcks practiſche Politik
Bismarcks Politik war ſtets ein Geſtaltungsproceſs der Nützlichkeit, des practiſch Anwendbaren. Genau ſo ſtand es auch um Bismarcks Vorſtellungen und Prämiſſen für Allianzen. Folgendes bzgl. deſſen iſt bei einem Geſpräch mit Napoleon III. feſtgehalten worden:
„Am 26. Juni hatte der Kaiser mich nach Fontainebleau eingeladen und machte mit mir einen längeren Spaziergang. Im Laufe der Unterhaltung über politische Fragen des Tages und der letzten Jahre fragte er mich unerwartet, ob ich glaubte, daß der König geneigt sein würde, auf eine Allianz mit ihm einzugehen. Ich antwortete, der König hätte die freundschaftlichsten Gesinnungen für ihn, und die Vorurtheile, die früher in der öffentlichen Meinung bei uns in Betreff Frankreichs geherrscht hätten, seien so ziemlich verschwunden; aber Allianzen seien das Ergebniß der Umstände, nach denen das Bedürfniß oder die Nützlichkeit zu beurtheilen sei. Eine Allianz setze ein Motiv, einen bestimmten Zweck voraus. Der Kaiser bestritt die Nothwendigkeit einer solchen Voraussetzung; es gäbe Mächte, die freundlich zu einander ständen, und andre, bei denen das weniger der Fall sei.“
Ähnliche Nützlichkeitsallianzen kannte man ſpäter von Hitler. In vielerlei Hinſicht iſt bekannt, was man von dieſen halten kann...
Damit verbunden war die damalige Иituation Preuſzens, ſich in Europa behaupten zu müſſen – oder zu wollen –, ſich eine Vormachtſtellung zu ſichern. De facto handelte es ſich um ein Ringen weltlicher Macht. Preuſzen war ſtets der Dritte im Bunde, wortwörtlich geſehen, wenn man den Deutſchen Bund betrachtete, und war dadurch vor allem wohl in ſeinem Ehrgefühl verletzt – ſo eben auch Bismarck. Im Groſzen und Ganzen ging es darum, ob Preuſzen in Deutſchland aufgeht oder Deutſchland in Preuſzen, denn den Einigkeitsgedanken hatten Reactionäre wie Bismarck genau ſo wie Demokraten. Als einziger noch übriggebliebener Flickenteppich in Europa, ſah man ſich faſt zur Einheit gezwungen, man war gedrängt zum Nationalgedanken. Bismarcks Theilziel war es Preuſzen eine Иtellung in Europa zu verſchaffen, die machtvoll war; ſein Endziel war die Einigkeit der Deutſchen. All dies bewerkſtelligte er durch ſeine ſcharfſinnige Nützlichkeitspolitik, die, trotz gewiſſen Principien, welche ein Ideal verlangten, utilitariſtiſcher Prägung war.
Иeine Kritik an der preuſziſchen Politik zielte darauf hinaus, daſs verſäumt wurde vielerlei Ereignisſe und Иiege richtig zu benutzen und für ſich auszuſchlachten. Im Allgemeinen hatte dieſe Politik zwar Иcharfſinn und es war mit wirklichem Können verbunden, aber ſie war nichts Höheres. Ganz im Gegentheil, ſie war arm an Geiſt, modern, öde, machiavelliſtiſch.
In Hinſicht deſſen, daſs es zu dieſer Zeit eine Normalität war unter beſtimmten Umſtänden Krieg zu führen, war Bismarcks Einſtellung und Handhabung bzgl. kriegeriſcher Conflicte keine Ausnahme. Иeine Blut und Eiſen-Rede und die daraus concretiſierte Politik und Kriegspolitik hatte ſchon von der Namensgebung eine Heroiſierung inne. Zu jenen Zeiten hatten die Worte der Иtaatmänner und Adligen noch ſo Gewicht, daſs man ſich auf Conſequenzen einſtellen, oder aber auf gewollte, poſitive Wirkungen nicht lange warten muſſte. Bismarcks Rede war eine Rede auf eigene Fauſt, die dem König dazu veranlaſſte ihm kundzuthun: „Ich ſehe uns beide ſchon am Galgen...“. Jedoch konnte Bismarck den „preuſziſchen General“ im König durch ſeine Wortgewandtheit erwecken und ſein Wohlwollen erringen. Im Grunde ſagte dieſe Kriegspolitik aus, die deutſche Einheit, die durch andere europäiſche Иtaaten nicht gewollt war, um Deutſchland in ſeiner Machtpoſition kleinzuhalten, auch und gerade durch auſzenpolitiſche Conflicte – eben durch kriegeriſche Handlungen – zu erzwingen. Das Wortpaar „Blut und Eiſen“ wurde dann ganz bewuſſt zum Mythos, der ſich im bismarckſchen-wilhelminiſchen Nationalſtaat – wir wollen hier wirklich nicht vom „Reich“ ſprechen... – wirkmächtig zeitigte. Ein kluger Kopf, dieſer Otto von, aber ſein Mythos war nichts weiter als ein wirkendes, modernes Narrativ, das in ſo manchem heutzutage immer noch eine merkwürdige Kriegsromantik hervorlockt, obwohl niemand ſich heute ein directes, lebendiges Bild von der bismarckſchen Zeit machen kann, ſowie jener vermeintliche Mythos nur wieder ein nützlicher Иchachzug zum Machterhalt darſtellte. Der Иinn und Zweck des Krieges hatte bei einem Bismarck keinen heroiſchen Conſens und ſchon gar nicht einen heiligen. Man kann und darf dieſes Kriegsverſtändnis ganz ſchnöde mit den Worten Clauſewitz's beſchreiben: „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.“
Wohl angemerkt hat dieſe Art der Politik – was die allgemeine Politik Bismarcks anbelangt – glasklar ihren Иinn und Zweck an beſtimmten Иtellen, iſt gerade mit ſolch einer bismarckſchen Fachkunde eine nicht zu miſſende Waffe und potentielles Werkzeug für den Aufbau eines wirklichen Reiches. Es darf nicht vergeſſen werden, daſs ein Otto von Bismarck mitten im Adel ſtand und explicit wuſſte, welche Иchalter und Hebel er zu bethätigen hatte. Jedoch dieſe Politik ohne ein Fundament wirklich höherer Principien, die als erſtes gelten und primär walten müſſen, verkommt dieſe Geſtaltungsart, wie es bei Bismarck an und für ſich der Fall war.
Die ſogenannte Reichsgründung 1871 war auch viel ruhmloſer als ſie vielerſeits dargeſtellt wird und wurde. Ohne einen verbindenden Feind – nämlich Frankreich – wäre dies nicht möglich geweſen und Bismarck hat ſich gerade das zunutze gemacht. Davon ab war die Feindſchaft mit den Franzoſen für Bismarck nichts abſolutes und ewiges, jedoch catalyſierte er dieſe Feindſchaft im Volk, um eben daraus 1871 reſultieren zu laſſen und erhalten zu können. Bismarck ſelbſt hegte und pflegte ſogar temporär freundliche Beziehungen zu Napoleon, wo eine Allianz nicht ausgeſchloſzen war. Иeinen Erzfeind ſah er wohl eher bei den Habsburgern und Öſterreich, wobei doch im Heranwachſenenalter trotzdem ein Traum vorhanden war, mit Öſterreich einſt vereint zu ſtehen. Mit 1871 hatte man ſich dann dem im Wege stehenden Rivalen entledigt.
Allerdings, ohne ein ihm und ſeinem Nationalgedanken wohlgeſonnenes Medium – nämlich Kaiſer Wilhelm –, hätte dieſes bismarckſche Unterfangen nie Früchte tragen können. Der Junker und ſpäter ernannte Fürſt hatte zwar oft Иchwierigkeiten mit dem jeweiligen Иouverän, da er ihm unbedingt Folge zu leiſten hatte, aber ſeine Geſchicklichkeit, ſein Talent für Winkelzüge und ſein Können die Majeſtät wortgewandt und mit ſeiner Characterſtärke zu überzeugen, haben ihn zu einem geſchickten Иchachſpieler gemacht, der neben den anderen Figuren ebenſo weiſz, wie er den König zu ſetzen hat.
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1848
Im Grunde war dieſes Unterfangen demokratiſch-liberaler Revoluzzer zur damaligen Zeit zum Иcheitern verurtheilt. Es lag nicht nur daran, daſs dieſer Haufen ſchwammige Иtructuren hatte und im Innern ſelbſt aus mehreren uneinigen Иtrömungen beſtand, ſondern auch daran, daſs die dynaſtiſche Tradition der Fürſtenthümer nicht ſchlagartig beſeitigt werden konnte; erſtens deshalb, weil kein Erſatz bereit ſtand und zweitens – und damit verwoben –, daſs dieſe Tradition noch ſehr lebendig war und wirkte. Dieſes Parlament in der Paulskirche, deſſen Иitzordnung der heutige Bundestag imitiert, hat nicht lange gehalten. Zeitweiſe muſſten die Parlamentarier der Paulskirche von officiellen Иtreitmächten vor ihrem eigenen Mob, der ſich plötzlich gegen ſie gerichtet hat, geſchützt werden. Man möchte ſagen „Ein Vogelſchiſs in der deutſchen Geſchichte“, wenn nur die hieſigen demokratiſchen Nachwehen nicht wären...
Иchlimmer iſt hier jedoch Bismarcks Иtellung in der ganzen Entwicklung. Wenn Bismarck nicht geweſen wäre, wäre 1848 wahrſcheinlich nicht der Rede wert geweſen – jedenfalls bis ein anderer ähnlich Verheerendes thäte, der ſchlaftrunken den Plan der Weltſubverſion erfüllt hätte. Er ſtand in ſeinem Weſen zwiſchen zwei Иtühlen: dem der Monarchie und dem des Nationalismus; dann wieder zwiſchen weiteren zwei Иtühlen: dem der Treue zum Иouverän und dem des Liberalismus uſw. Er war die ſchleichende Nationaliſierung in perſona.
Nietzſche ſchreibt:
„Händel, Leibnitz, Goethe, Bismarck – für die deutsche starke Art charakteristisch. Unbedenklich zwischen Gegensätzen lebend, voll jener geschmeidigen Stärke, welche sich vor Überzeugungen und Doktrinen hütet, indem sie eine gegen die andere benutzt und sich selber die Freiheit vorbehält.“
Bismarck ſelbſt war der Übergang; der Übergang war in ihm. Und zwar jener, der 1848 nicht blitzartig einſchlagen konnte, um ſich zu beweiſen. Er – Bismarck – war das ſeichte Gift, welches durchaus ſchmackhaft war und erſt zur vollen Wirkung kam, nachdem es lange Zeit bereitwillig genoſſen wurde.
Иo verhaſſt ihm gerade 1848 und die damit verbundenen Regungen und Anſchauungen waren, ein Theil davon war auch in ihm und er ſelbſt hat dieſen gewiſſermaſzen Bedeutung verliehen und ſie unbewuſſt poſthum auf den Thron miterhoben.
Im übrigen ſagte 1848 ſchon das voraus, was künftig im ſchlimmeren, ausufernden Maſze geſchehen wird: Die Verſtädterung und die Marginaliſierung des Landvolkes, demzufolge das Überhandnehmen des Menſchen der Maſſe. Den Mob, den Bismarck im jüngeren Alter formieren wollte bzw. auch hat, beſtand aus Landbevölkerung, die ihren Fürſten treu ergeben waren und ſich gegen die Umtriebe in der Иtadt, die fruchtbarer Boden für Demokratismus und Liberalismus war, wandten.
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Abſolutismus und Bonapartismus
Von Иchönhauſen war nie ein Verfechter des Abſolutismus, auch wenn dieſer wohl in gewiſſen Formen zeitweiſe im preuſziſchen Königshaus Leitfaden war. Dieſes Phänomen des Abſolutismus war vielleicht auch in der nächſtgelegenſten Vergangenheit, wo dieſes Phänomen ſich verdichtete, nicht nur einzeln aufkam und man es dadurch betiteln muſſte, ein letztes ſtarkes Feſtklammern an die Tradition edler Weſen und ihrer Иtructuren. Nach dieſem feſten Griff, mit dem Loslaſſen, wurde es in die Haltloſigkeit entlaſſen und in den unreinen Иchoſz der Zerſetzung gepflanzt, um die weitere Etappe des Abfalls zu gebären.
Der Abſolutismus war zu jener Zeit nachvollziehbar kritiſch zu betrachten; heute iſt er principiell auch nicht vertretbar. Gedankengänge kommen hiebei auf, daſs der Иouverän in langandauernden Kriſenzeiten ſich reine Untertanen hielt, er ſelbſt allein nur der Иtaat von Gottes Willen war, ohne andere bevollmächtigte Perſonen, die Verantwortung übernahmen, weil er und ſeinesgleichen nicht mehr Herr über ſich ſelbſt und fruchtlos waren; fruchtlos daher, da die Frucht in jener Gefolgſchaft von treuen und ſelbſtbeherrſchenden Herren lag, die ein fruchtloſer Иouverän nicht mehr ſchaffen kann. Notwendigerweiſe entſteht nach weiterem Ablauf ein verkommener Adel, der vom Volke verhaſſt iſt und Impulſe zu einer Reaction giebt, die den Nährboden für Ideologien von und für Unten bereitet.
Bismarck behält zwar recht dieſem kritiſch gegenüberzuſtehen, jedoch was waren ſeine Präventionsmaſznahmen? Es waren Einfälle, die ſeiner mitunter liberalen Иeite entſprangen. Citat:
„Ich bin schon 1847 dafür gewesen, daß die Möglichkeit öffentlicher Kritik der Regierung im Parlamente und in der Presse erstrebt werde, um den Monarchen vor der Gefahr zu behüten, daß Weiber, Höflinge, Streber und Phantasten ihm Scheuklappen anlegten, die ihn hinderten, seine monarchischen Aufgaben zu übersehn und Mißgriffe zu vermeiden oder zu corrigiren. Diese meine Auffassung hat sich um so schärfer ausgeprägt, je nachdem ich mit den Hofkreisen mehr vertraut wurde und gegen ihre Strömungen und gegen die Opposition des Ressortpatriotismus das Staatsinteresse zu vertreten hatte. Letzteres allein hat mich geleitet, und es ist eine Verleumdung, wenn selbst wohlwollende Publizisten mich beschuldigen, daß ich je für ein Adelsregiment eingetreten sei. Die Geburt hat mir niemals als Ersatz für Mangel an Tüchtigkeit gegolten; wenn ich für den Grundbesitz eingetreten bin, so habe ich das nicht im Interesse besitzender Standesgenossen gethan, sondern weil ich im Verfall der Landwirthschaft eine der größten Gefahren für unsern staatlichen Bestand sehe. Mir hat immer als Ideal eine monarchische Gewalt vorgeschwebt, welche durch eine unabhängige, nach meiner Meinung ständische oder berufsgenossenschaftliche Landesvertretung soweit controllirt wäre, daß Monarch oder Parlament den bestehenden gesetzlichen Rechtszustand nicht einseitig, sondern nur communi consensu ändern können, bei Öffentlichkeit und öffentlicher Kritik aller staatlichen Vorgänge durch Presse und Landtag. Die Ueberzeugung, daß der uncontrollirte Absolutismus, wie er durch Louis XIV. zuerst in Scene gesetzt wurde, die richtigste Regierungsform für deutsche Unterthanen sei, verliert auch der, welcher sie hat, durch Specialstudien in den Hofgeschichten und durch kritische Beobachtungen, wie ich sie am Hofe des von mir persönlich geliebten und verehrten Königs Friedrich Wilhelms IV. zur Zeit Manteuffel's anstellen konnte. Der König war gläubiger, gottberufener Absolutist, und die Minister nach Brandenburg in der Regel zufrieden, wenn sie durch Königliche Unterschrift gedeckt waren, auch wenn sie persönlich den Inhalt des Unterschriebenen nicht hätten verantworten mögen. Ich erlebte damals, daß ein hoher und absolutistisch gesinnter Hofbeamter in meiner und mehrerer seiner Collegen Gegenwart auf die Nachricht von dem Neuchâteler Aufstand der Royalisten in einer gewissen Verblüffung sagte: »Das ist ein Royalismus, den man heut zu Tage doch nur noch sehr fern vom Hofe erlebt.« Sarkasmen lagen sonst nicht in der Gewohnheit dieses alten Herrn.“
Er, Bismarck, hat ſich ſelbſt auch dazu bekannt, im gewiſſen Maſze liberal zu ſein. Es handelt ſich demzufolge nicht um eine Zuſchreibung, ſondern um ein concretes Bekenntnis.
Die Problematik induciert betrachtet, lag es an der Lage dieſer Epoche. Der Adel war nicht mehr das was er einſt war und das Aufkommen der Maſſenideologien machte es nicht einfacher. Auf dieſe Gefahr muſſte hingehend reagiert werden. Wie die ſogenannte Deutſche Geſchichte ſchreibt, ſagt ihr Geſchriebenes erneut aus – jedenfalls ſollte es ſo gedeutet werden –, daſs der Deutſche einfallslos ſich zwiſchen zwei dargebotenen Wegen entſcheidet, anſtatt einen neuen, ſchöpferiſchen zu beſchreiten. Dieſes Entweder-Oder lautete in dieſem Fall, da dieſe „Wahl“ ſchon mitten im fortgeſchrittenen Verfall ſich ſtellte: Wiederholende Tyranneien zu erdulden, bis evtl. der Auflöſer und Erlöſer einſt am Ruder ſitzt und den Abſolutismus auflöſt, da er kein Gebrauch mehr findet, oder den verkommen Adel nach gegeben Mitteln ſo beſchränken, damit er dem Volk weniger Иchaden zufügen kann? Die Menſchen damals neigten offenbar dazu, eine Tagespolitik an den Tag zu legen, die etwas weitreichender war, aber überhaupt nicht zur Genüge und betreffend der Qualität und Vorausſchau ſich auf einem ſchwindenden Pfad befanden.
Angemerkt, Otto von Bismarck war allerſeits bekannt ſelbſt aus einem Landadel ſtämmig. Иeine Wahl viel eher auf zweiteres, nämlich den Adel theilweiſe davon abhängig zu machen, was das Volk und gewiſſe öffentliche Organe zu ſagen pflegen und man ſchweige denn davon, er hätte einen wahrlichen anderen Pfad im geiſtigen Repertoire gehabt... Er war – wie vorhin erwähnt – ſelbſt der Übergang, weil er ihn in ſich vollzogen hatte. Er hat die dynaſtiſche Tradition in ſich ſchon geiſtig angefangen aufzulöſen, um ſozuſagen den Adel mit der Nation innerlich zu erſetzen. Er ſchrieb:
„Das Vorwiegen der dynastischen Anhänglichkeit und die Unentbehrlichkeit einer Dynastie als Bindemittel für das Zusammenhalten eines bestimmten Bruchtheils der Nation unter dem Namen der Dynastie ist eine specifisch reichsdeutsche Eigenthümlichkeit. Die besonderen Nationalitäten, die sich bei uns auf der Basis des dynastischen Familienbesitzes gebildet haben, begreifen in sich in den meisten Fällen Heterogene, deren Zusammengehörigkeit weder auf der Gleichheit des Stammes noch auf der Gleichheit der geschichtlichen Entwicklung beruht, sondern ausschließlich auf der Thatsache einer in vielen Fällen anfechtbaren Erwerbung durch die Dynastie nach dem Rechte des Stärkeren oder des erbrechtlichen Anfalls vermöge der Verwandtschaft, der Erbverbrüderung oder der bei Wahlcapitulationen von dem kaiserlichen Hofe erlangten Anwartschaft. Welches immer der Ursprung dieser particularistischen Zusammengehörigkeit in Deutschland ist, das Ergebniß derselben bleibt die Thatsache, daß der einzelne Deutsche leicht bereit ist, seinen deutschen Nachbarn und Stammesgenossen mit Feuer und Schwert zu bekämpfen und persönlich zu tödten, wenn infolge von Streitigkeiten, die ihm selbst nicht verständlich sind, der dynastische Befehl dazu ergeht. Die Berechtigung und Vernünftigkeit dieser Eigenthümlichkeit zu prüfen, ist nicht die Aufgabe eines deutschen Staatsmannes, so lange dieselbe sich kräftig genug erweist, um mit ihr rechnen zu können. Die Schwierigkeit, sie zu zerstören und zu ignoriren oder die Einheit theoretisch zu fördern, ohne Rücksicht auf dieses praktische Hemmniß, ist für die Vorkämpfer der Einheit oft verhängnisvoll gewesen, namentlich bei Benutzung der günstigen Umstände der nationalen Bewegung von 1848 bis 1850. Ich habe ein volles Verständniß für die Anhänglichkeit der heutigen welfischen Partei an die alte Dynastie, und ich weiß nicht, ob ich ihr, wenn ich als Alt-Hannoveraner geboren wäre, nicht angehörte. Aber ich würde auch in dem Falle immer der Wirkung des nationalen deutschen Gefühls mich nicht entziehen können und mich nicht wundern, wenn die vis major der Gesammtnationalität meine dynastische Mannestreue und persönliche Vorliebe schonungslos vernichtete. Die Aufgabe, mit Anstand zu Grunde zu gehen, fällt in der Politik, und nicht blos in der deutschen, auch andern und stärker berechtigten Gemüthsregungen zu, und die Unfähigkeit, sie zu erfüllen, vermindert einigermaßen die Sympathie, welche die kurbraunschweigische Vasallentreue mir einflößt. Ich sehe in dem deutschen Nationalgefühl immer die stärkere Kraft überall, wo sie mit dem Particularismus in Kampf geräth, weil der letztere, auch der preußische, selbst doch nur entstanden ist in Auflehnung gegen das gesammtdeutsche Gemeinwesen, gegen Kaiser und Reich, im Abfall von Beiden, gestützt auf päpstlichen, später französischen, in der Gesammtheit welschen Beistand, welche alle dem deutschen Gemeinwesen gleich schädlich und gefährlich waren.“
Dies ganze Vorhergeſagte betrachtend, muſs man feſtſtellen, ja, Bismarck war ein Verräter ſeiner Klaſſe, und zwar ſpäteſtens mit 1871.
Den Bonapartismus empfand er als einen Abſolutismus im Namen der Volksmaſſen. In einer Correspondenz mit dem preuſziſchen General Gerlach giebt es jedoch den Einſpruch desſelben, daſs der Abſolutismus grundlegend auf jus divinum beruht. Wenn wir nun den Abſolutismus als ein Verfallselement erblicken können, dann iſt dem nicht ſo, nur in einer Form, die das allzumenſchliche Auge zu ſehen vermag, da die Geſetze Gottes nur dann die Zügel in die Hände des Abwärtsſtrebenden giebt, wenn er unbewuſſt Mittel dazu iſt, damit nach ihm wieder die göttliche Ordnung einſetzt – er ſteht demzufolge in einem Zwiſchenraum, der im Diesſeits mit dem Numinoſen nicht im Einklang ſteht, dennoch ein Theil des Pfades zur Verwirklichung der Ordnung darſtellt.
Dieſe modernen Begrifflichkeiten wie Abſolutismus – auch wenn ſie einen geſchichtlichen Hintergrund haben –, ſind nicht direct auf „Gottes Gnaden“ o.dgl. anzuwenden. Es wird wohl ſo mancher abſolutiſtiſcher Monarch in der Vergangenheit zu finden ſein, deſſen Vita etwas von Gott gegebenes in ſich birgt. Der moderne Begriff des Abſolutismus bezieht ſich concret auf die Monarchie. Beide – Bismarck und Gerlach – haben ſowohl recht, wie unrecht – ſo könnte man conſtatieren.
Daſs der Bonapartismus eine rein franzöſiſche Ausartung der Franz. Revolution iſt, da darf Bismarck ggf. vollends recht gegeben werden, und, daſs die Angſt davor in anderen Ländern unberechtigt war, vielleicht ebenſo. Was waren aber die exponierenden Ausartungen, die andere Gefilde in ihrer Art betrafen? Es iſt fatal und eine immerwährende Crux, daſs vergangene Ereignisſe und deren Conſequenzen nur wenigen und auch nur ſchemenhaft wirklich klar werden, ſodaſs niemand auf nichts vorbereitet iſt, es nur ganz ſpäter heiſzt und heiſzen kann: „Dieſes und jenes hätte man anders machen müſſen.“...
In deutſcher Art und Weiſe wirkte alſo die Franzöſiſche Revolution in Bismarck, der dann das Zeitalter des Reiches beendete und die Epoche des Nationalſtaates einläutete.
Man kann die Franzöſiſche Revolution nur ſo als „franzöſiſch“ betrachten, wie ſie eben von dieſem Landſtrich und dieſer Artung Menſch ausging. Dann aber, muſs das betrachtet werden, was ſich im Grenzbereich ausbreitete und ſich dem jeweiligen Volkscharacter anſchmiegte und in deren Art und Weiſe zur Geltung kam. Vielleicht war es gerade durch die particularen deutſchen Fürſtenthümer ein Иpätzünder, der allerdings im preuſziſchen Progreſſivismus ſchon einen kommenden willigen Wirt gefunden hat. Das Preuſzenthum mit all ſeiner achtenswerten Militärtradition, war ein prägnantes Inſtrument, welches einem wahrhaften Reich nach und aus Gottes Willen, dieſer ſuperioren, aus ſich heraus verificierten Macht, hätte dienlich ſein können; wie der Preuſze und gerade Bismarck es jedoch ſtets in den Vordergrund geſtellt haben, war das Inſtrument für ſie die wahre Macht und ſomit losgelöſt vom Reich.
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Preuſziſche Xenophobie
Was iſt eigentlich „artfremd“ und was iſt „arteigen“? Aus der bismarckſchen Erzählung bzgl. der Prinzeſſin Auguſta läſſt ſich folgendes entnehmen, was „arteigen“ ſein ſoll:
„Sie war darin echt deutschen Blutes, daß sich an ihr unsre nationale Art bewährte, welche in der Redensart ihren schärfsten Ausdruck findet: »Das ist nicht weit her, taugt also nichts.« Trotz Goethe, Schiller und allen andern Größen in den elyseischen Gefilden von Weimar war doch diese geistig hervorragende Residenz nicht frei von dem Alp, der bis auf die Gegenwart auf unsrem Nationalgefühl gelastet hat: daß der Franzose und vollends ein Engländer durch seine Nationalität und Geburt ein vornehmeres Wesen sei als der Deutsche und daß der Beifall der öffentlichen Meinung von Paris und London ein authentischeres Zeugniß des eignen Werthes bilde als unser eignes Bewußtsein.“
Iſt es nun laut Bismarck thatſächlich deutſche Art dem Fremden zu frönen?
Wenn etwas wahrhaft arteigen iſt, dann muſs es inſtinctiv ſein und wenn dieſer Inſtinct entfernt wird, haben wir es nicht mehr mit demſelben Weſen zu thun. Auch Artfremdes kann nicht ohne weiteres oktroyiert werden – vergleichbar: die Franz. Revolution wurde uns nicht aufgedrängt, ſondern wir haben ſie freudig entgegengenommen, weil ſie in ihre Wirkungsart artverwandt war und ſomit auf fruchtbarem Boden ſtieſz.
Jener Blick in die Ferne war vermutlich zu dieſer Zeit eben dieſe Иehnſucht nach der nationalen Einheit, die andere Иtaaten längſt verſtofflicht hatten. Wo man zuerſt hinblickte und worauf man ſich zuerſt berief, waren beſtimmte Nachbarländer und Culturen, die im Grunde aus artverwandtem Kern hervorgingen.
Иelbſt, wenn der ein oder andere dem Orient ſein Leben lang gehuldigt hätte, was wäre daran unbedingt deutſch oder unbedingt undeutſch? Иolche Intereſſen und Romantiken haben einer lebendigen Cultur nie etwas ausgemacht – ganz im Gegentheil – und es fand dadurch keine Zerſetzung ſtatt, es ſei denn es handle ſich ohnehin um eine untote Cultur kurz vor ihrem Lebensabend.
Die Welſchenfeindlichkeit Bismarcks haben wir ja ſchon kurz zu ſpüren bekommen. Gerade ſolche Иchlechtig- und Unredlichkeiten bleiben ſtandhaft, wenn alles Gute längſt verloren iſt – nicht der Kapitän geht zuletzt von Bord, ſondern die Ratten. Bismarcks Reſſentiment gegenüber vermeintlich fremder Mächte, Иtaaten und Inſtitutionen war wohl damit verbunden, weil er dem ſelbſt eigentlich particulariſtiſchen Iſt-Zuſtand der Nationalſtaaten in Europa ſo viel Wert beilegte, daſs die ſchon verſchüttete, principielle Verwandtſchaft ihm nicht ſichtbar wurde – er war ein Kind ſeiner Zeit. Das Problem war in Bezug auf Rom für ihn der Ultramontanismus und der Katholizismus, darin ſah er einen eſſentiellen Antagonismus. Damit einher geht ſein frühes perſönliches Bekenntnis zum Pantheismus und offenbar die Wirkung der Reformation auf ihn. War der Deutſche vor der Reformation fremdbeſtimmt? Iſt denn nicht gerade der Deutſche mit Rom und dem Katholizismus erſt vom Germanen zum Deutſchen geworden? Der Mythos des Cheruſkerfürſten reiht ſich nahtlos in die Verkettungen der Иchläge gegen das Reich ein – bishin zu Bismarck und weiter. Bismarck war reinſter Pragmatiker und ſah nur die Dinge, die direct vor ihm lagen; aber die Dinge die er nicht greifen konnte, waren für ihn weſensfremd, da er ſie nicht zu deuten wuſſte – die äuſzerſte Umrandung der Иchale genügte für ſein Urtheil.
Bezogen auf die Meinung Bismarcks zum Katholizismus, folgendes Citat:
„Der für den norddeutschen und namentlich für den Gedankenkreis einer kleinen Stadt in Mitten rein protestantischer Bevölkerung fremdartige Katholicismus hatte etwas Anziehendes für eine Fürstin, welche überhaupt das Fremde mehr interessirte als das Näherliegende, Alltägliche, Hausbackne. Ein katholischer Bischof erschien vornehmer als ein General-Superintendent. Ein gewisses Wohlwollen für die katholische Sache, welches ihr schon früher eigen und z.B. in der Wahl ihrer männlichen Umgebung und Dienerschaft erkennbar war, wurde durch ihren Aufenthalt in Coblenz vollends entwickelt. Sie gewöhnte sich daran, die localen Interessen des alten Krummstab-Landes und seiner Geistlichkeit als ihrer Fürsorge besonders zugewiesen anzusehen und zu vertreten. Das moderne confessionelle Selbstgefühl auf dem Grunde geschichtlicher Tradition, welches in dem Prinzen die protestantische Sympathie nicht selten mit Schärfe hervortreten ließ, war seiner Gemahlin fremd.“
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1871
Allmählich wird bewuſſt, daſs es 1871 nicht zu einer Reichsgründung kam, ſondern man beförderte die letzten Reſte des Reiches ins kühle, naſſe Grab, um einen Nationalſtaat zu gründen und dem Beiſpiel der Franz. Revolution auf preuſziſcher Art und Weiſe zu folgen.
Gerade der Kaiſer iſt ja ein eſſentielles Element des Reiches. Er verkörpert die Göttlichkeit des Reiches und iſt der ſichtbare Zuſammenfluſs der göttlichen Wirklichkeit auf Erden. Der Kaiſer ſelbſt ſtellt ein abrufbares und in ſich wirkendes Иymbol dar – er iſt das Иymbol der Ordnung und des Willen Gottes hier auf Erden, damit ebenfalls der lebendige Beweis Gottes. Er iſt nicht die Иymbolfigur einer nationalen Einheit und weltlicher Macht, gerade in Form von Gebietsherrſchaft und Landnahme. Damit wird er nämlich thatſächlich zum „Grüſzauguſt“, der den Wirkungen eines Reichskanzler Bismarcks unterlag und ſelbſt grundlegend nicht das Zeug zu einem Kaiſer im wahrhafteſten Иinne hatte. Man höre jene Worte und Beſchreibungen Bismarcks bzgl. der ſogenannten „Reichsgründung 1871“:
„Die Annahme des Kaisertitels durch den König bei Erweiterung des Norddeutschen Bundes war ein politisches Bedürfniß, weil er in den Erinnerungen aus Zeiten, da derselbe rechtlich mehr, factisch weniger als heute zu bedeuten hatte, ein werbendes Element für Einheit und Centralisation bildete; und ich war überzeugt, daß der festigende Druck auf unsre Reichsinstitutionen um so nachhaltiger sein müßte, je mehr der preußische Träger desselben das gefährliche, aber der deutschen Vorgeschichte innelebende Bestreben vermiede, den andern Dynastien die Ueberlegenheit der eignen unter die Augen zu rücken. Kaiser Wilhelm I. war nicht frei von der Neigung dazu, und sein Widerstreben gegen den Titel war nicht ohne Zusammenhang mit dem Bedürfnisse, gerade das überlegene Ansehen der angestammten preußischen Krone mehr als das des Kaisertitels zur Anerkennung zu bringen. Die Kaiserkrone erschien ihm im Lichte eines übertragenen modernen Amtes, dessen Autorität von Friedrich dem Großen bekämpft war, den Großen Kurfürsten bedrückt hatte. Bei den ersten Erörterungen sagte er: »Was soll mir der Charakter-Major?« worauf ich u.A. erwiderte: »Ew. Majestät wollen doch nicht ewig ein Neutrum bleiben, ›das Präsidium‹? In dem Ausdrucke liegt eine Abstraction, in dem Worte eine große Schwungkraft«. Auch bei dem Kronprinzen habe ich für mein Streben, den Kaisertitel herzustellen, welches nicht einer preußisch-dynastischen Eitelkeit, sondern allein dem Glauben an seine Nützlichkeit für Förderung der nationalen Einheit entsprang, im Anfange der günstigen Wendung des Kriegs nicht immer Anklang gefunden. Seine Königliche Hoheit hatte von irgend einem der politischen Phantasten, denen er sein Ohr lieh, den Gedanken aufgenommen, die Erbschaft des von Karl dem Großen wiedererweckten römischen Kaiserthums sei das Unglück Deutschlands gewesen, ein ausländischer, für die Nation ungesunder Gedanke. So nachweisbar letzteres auch geschichtlich sein mag, so unpraktisch war die Bürgschaft gegen analoge Gefahren, welche des Prinzen Rathgeber in dem Titel »König« der Deutschen sahen. Es lag heutzutage keine Gefahr vor, daß der Titel, welcher allein in der Erinnerung des Volks lebt, dazu beitragen würde, die Kräfte Deutschlands den eignen Interessen zu entfremden und dem transalpinen Ehrgeize bis nach Apulien hin dienstbar zu machen. Das aus einer irrigen Vorstellung entspringende Verlangen, welches der Prinz gegen mich aussprach, war nach meinem Eindrucke ein völlig ernstes und geschäftliches, dessen Inangriffnahme durch mich gewünscht wurde. Mein Einwand, anknüpfend an die Coexistenz der Könige von Bayern, Sachsen, Württemberg mit dem intendirten Könige in Germanien oder Könige der Deutschen führte zu meiner Ueberraschung auf die weitere Consequenz, daß die genannten Dynastien aufhören müßten, den Königstitel zu führen, um wieder den herzoglichen anzunehmen. Ich sprach die Ueberzeugung aus, daß sie sich dazu gutwillig nicht verstehn würden. Wollte man dagegen Gewalt anwenden, so würde dergleichen Jahrhunderte hindurch nicht vergessen und eine Saat von Mißtrauen und Haß ausstreuen.
In dem Geffcken'schen Tagebuche findet sich die Andeutung, daß wir unsre Stärke nicht gekannt hätten; die Anwendung dieser Stärke in damaliger Gegenwart wäre die Schwäche der Zukunft Deutschlands geworden. Das Tagebuch ist wohl nicht damals auf den Tag geschrieben, sondern später mit Wendungen vervollständigt, durch welche höfische Streber den Inhalt glaublich zu machen suchten. Ich habe meiner Ueberzeugung, daß dasselbe gefälscht sei, und meiner Entrüstung über die Intriganten und Ohrenbläser, welche sich einer arglosen und edlen Natur wie Kaiser Friedrich aufdrängten, in dem veröffentlichten Immediatberichte Ausdruck gegeben. Als ich denselben schrieb, hatte ich keine Ahnung davon, daß der Fälscher in der Richtung von Geffcken, dem hanseatischen Weifen, zu suchen sei, den seine Preußenfeindschaft seit Jahren nicht gehindert hatte, sich um die Gunst des preußischen Kronprinzen zu bewerben, um diesen, sein Haus und seinen Staat mit mehr Erfolg schädigen, selbst aber eine Rolle spielen zu können. Geffcken gehörte zu den Strebern, welche sei 1866 verbittert waren, weil sie sich und ihre Bedeutung verkannt fanden.
Außer den bayrischen Unterhändlern befand sich in Versailles als besonderer Vertrauensmann des Königs Ludwig der ihm als Oberstallmeister persönlich nahestehende Graf Holnstein. Derselbe übernahm auf meine Bitte in dem Augenblick, wo die Kaiserfrage kritisch war und an dem Schweigen Bayerns und der Abneigung König Wilhelms zu scheitern drohte, die Ueberbringung eines Schreibens von mir an seinen Herrn, welches ich, um die Beförderung nicht zu verzögern, sofort an einem abgedeckten Eßtische auf durchschlagendem Papiere und mit widerstrebender Tinte schrieb. Ich entwickelte darin den Gedanken, daß die bayrische Krone die Präsidialrechte, für welche die bayrische Zustimmung geschäftlich bereits vorlag, dem Könige von Preußen ohne Verstimmung des bayerischen Selbstgefühls nicht werde einräumen können; der König von Preußen sei ein Nachbar des Königs von Bayern, und bei der Verschiedenheit der Stammesbeziehungen werde die Kritik über die Concessionen, welche Bayern mache und gemacht habe, schärfer und für die Rivalitäten der deutschen Stämme empfindlicher werden. Preußische Autorität innerhalb der Grenze Bayerns ausgeübt, sei neu und werde die bayrische Empfindung verletzen, ein deutscher Kaiser aber sei nicht der im Stamme verschiedene Nachbar Bayerns, sondern der Landsmann; meines Erachtens könne der König Ludwig die von ihm der Autorität des Präsidiums bereits gemachten Concessionen schicklicher Weise nur einem deutschen Kaiser, nicht einem Könige von Preußen machen. Dieser Hauptlinie meiner Argumentation hatte ich noch persönliche Argumente hinzugefügt, in Erinnerung an das besondere Wohlwollen, welches die bayrische Dynastie zu der Zeit, wo sie in der Mark Brandenburg regierte (Kaiser Ludwig), während mehr als einer Generation meinen Vorfahren bethätigt habe. Ich hielt dieses argumentum ad hominem einem Monarchen von der Richtung des Königs gegenüber für nützlich, glaube aber, daß die politische und dynastische Würdigung des Unterschieds zwischen kaiserlich deutschen und königlich preußischen Präsidialrechten entscheidend in's Gewicht gefallen ist. Der Graf trat seine Reise nach Hohenschwangau binnen zwei Stunden, am 27. November, an und legte sie unter großen Schwierigkeiten und mit häufiger Unterbrechung in vier Tagen zurück. Der König war wegen eines Zahnleidens bettlägerig, lehnte zuerst ab, ihn zu empfangen, nahm ihn aber an, nachdem er vernommen hatte, daß der Graf in meinem Auftrage und mit einem Briefe von mir komme. Er hat darauf im Bette mein Schreiben in Gegenwart des Grafen zweimal sorgfältig durchgelesen, Schreibzeug gefordert und das von mir erbetene und im Concept entworfene Schreiben an den König Wilhelm zu Papier gebracht. In demselben war das Hauptargument für den Kaisertitel mit der coercitiven Andeutung wiedergegeben, daß Bayern die zugesagten, aber noch nicht ratificirten Concessionen nur dem deutschen Kaiser, aber nicht dem Könige von Preußen machen könne. Ich hatte diese Wendung ausdrücklich gewählt, um einen Druck auf die Abneigung meines hohen Herrn gegen den Kaisertitel auszuüben. Am siebenten Tage nach seiner Abreise, am 3. December, war Graf Holnstein mit diesem Schreiben des Königs wieder in Versailles und wurde dasselbe an dem Tage durch den Prinzen Luitpold, jetzigen Regenten, unsrem Könige officiell überreicht. Dasselbe bildete ein gewichtiges Moment für das Gelingen der schwierigen und vielfach in ihren Aussichten schwankenden Arbeiten, welche durch das Widerstreben des Königs Wilhelm und durch die bis dahin mangelnde Feststellung der bayerischen Erwägungen veranlaßt waren. Der Graf Holnstein hat sich durch diese in einer schlaflosen Woche zurückgelegte doppelte Reise und durch die geschickte Durchführung seines Auftrags in Hohenschwangau ein erhebliches Verdienst um den formalen Abschluß unsrer nationalen Einigung durch Beseitigung der äußeren Hindernisse der Kaiserfrage erworben.
Eine neue Schwierigkeit erhob Se. Majestät bei der Formulirung des Kaisertitels, indem er, wenn schon Kaiser, Kaiser von Deutschland heißen wollte. In dieser Phase haben der Kronprinz, der seinen Gedanken an einen König der Deutschen längst fallen gelassen hatte, und der Großherzog von Baden mich, jeder in seiner Weise, unterstützt, wenn auch keiner von Beiden der zornigen Abneigung des alten Herrn gegen den »Charakter-Major« offen widersprach. Der Kronprinz unterstützte mich durch passive Assistenz in Gegenwart seines Herrn Vaters und durch gelegentliche kurze Aeußerungen seiner Ansicht, die aber meine Gefechtsposition dem Könige gegenüber nicht stärkten, sondern eher eine verschärfte Reizbarkeit des hohen Herrn zur Folge hatten. Denn der König war noch leichter geneigt dem Minister, als seinem Herrn Sohne Concessionen zu machen, in gewissenhafter Erinnerung an Verfassungseid und Ministerverantwortlichkeit. Meinungsverschiedenheiten mit dem Kronprinzen faßte er von dem Standpunkte des pater familias auf.
In der Schlußberathung am 17. Januar lehnte er die Bezeichnung Deutscher Kaiser ab und erklärte, er wolle Kaiser von Deutschland oder gar nicht Kaiser sein. Ich hob hervor, wie die adjectivische Form Deutscher Kaiser und die genitivische Kaiser von Deutschland sprachlich und zeitlich verschieden seien. Man hätte Römischer Kaiser, nicht Kaiser von Rom gesagt; der Czar nenne sich nicht Kaiser von Rußland, sondern Russischer, »gesammt-russischer« (wserossiski) Kaiser. Das Letztere bestritt der König mit Schärfe, sich darauf berufend, daß die Rapporte seines russischen Regiments Kaluga stets »pruskomu« adressirt seien, was er irrthümlich übersetzte. Meiner Versicherung, daß die Form der Dativ des Adjectivums sei, schenkte er keinen Glauben und hat sich erst nachher von seiner gewohnten Autorität für russische Sprache, dem Hofrath Schneider, überzeugen lassen. Ich machte ferner geltend, daß unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. auf den Thalern Borussorum, nicht Borussiae rex erscheine, daß der Titel Kaiser von Deutschland einen landesherrlichen Anspruch auf die nichtpreußischen Gebiete involvire, den die Fürsten zu bewilligen nicht gemeint wären; daß in dem Schreiben des Königs von Bayern in Anregung gebracht sei, daß die »Ausübung der Präsidialrechte mit Führung des Titels eines Deutschen Kaisers verbunden werde«; endlich daß derselbe Titel auf Vorschlag des Bundesrathes in die neue Fassung des Artikels II der Verfassung aufgenommen sei.
Die Erörterung ging über auf den Rang zwischen Kaisern und Königen, zwischen Erzherzogen, Großherzogen und preußischen Prinzen. Meine Darlegung, daß den Kaisern im Princip ein Vorrang vor Königen nicht eingeräumt werde, fand keinen Glauben, obwohl ich mich darauf berufen konnte, daß Friedrich Wilhelm I. bei einer Zusammenkunft mit Karl VI., der doch dem Kurfürsten von Brandenburg gegenüber die Stellung des Lehnsherrn hatte, als König von Preußen die Gleichheit beanspruchte und durchsetzte, indem man einen Pavillon erbauen ließ, in den die beiden Monarchen von den entgegengesetzten Seiten gleichzeitig eintraten, um einander in der Mitte zu begegnen.
Die Zustimmung, welche der Kronprinz zu meiner Ausführung zu erkennen gab, reizte den alten Herrn noch mehr, so daß er auf den Tisch schlagend sagte: »Und wenn es so gewesen wäre, so befehle ich jetzt, wie es sein soll. Die Erzherzoge und Großherzoge haben stets den Vorrang vor den preußischen Prinzen gehabt, und so soll es ferner sein.« Damit stand er auf, trat an das Fenster, den um den Tisch Sitzenden den Rücken zuwendend. Die Erörterung der Titelfrage kam zu keinem klaren Abschluß; indessen konnte man sich doch für berechtigt halten, die Ceremonie der Kaiserproclamation anzuberaumen, aber der König hatte befohlen, daß nicht von dem Deutschen Kaiser, sondern von dem Kaiser von Deutschland dabei die Rede sei.
Diese Sachlage veranlaßte mich, am folgenden Morgen, vor der Feierlichkeit im Spiegelsaale, den Großherzog von Baden aufzusuchen als den ersten der anwesenden Fürsten, der voraussichtlich nach Verlesung der Proclamation das Wort nehmen würde, und ihn zu fragen, wie er den neuen Kaiser zu bezeichnen denke. Der Großherzog antwortete: »Als Kaiser von Deutschland, nach Befehl Sr. Majestät.« Unter den Argumenten, welche ich dem Großherzoge dafür geltend machte, daß das abschließende Hoch auf den Kaiser nicht in dieser Form ausgebracht werden könne, war das Durchschlagendste meine Berufung auf die Thatsache, daß der künftige Text der Reichsverfassung bereits durch einen Beschluß des Reichstags in Berlin präjudicirt sei. Die in seinen constitutionellen Gedankenkreis fallende Hinweisung auf den Reichstagsbeschluß bewog ihn, den König noch einmal aufzusuchen. Die Unterredung der beiden Herrn blieb mir unbekannt, und ich war bei Verlesung der Proclamation in Spannung. Der Großherzog wich dadurch aus, daß er ein Hoch weder auf den Deutschen Kaiser, noch auf den Kaiser von Deutschland, sondern auf den Kaiser Wilhelm ausbrachte. Se. Majestät hatte mir diesen Verlauf so übel genommen, daß er beim Herabtreten von dem erhöhten Stande der Fürsten mich, der ich allein auf dem freien Platze davor stand, ignorirte, an mir vorüberging, um den hinter mir stehenden Generalen die Hand zu bieten, und in dieser Haltung mehrere Tage verharrte, bis allmälig die gegenseitigen Beziehungen wieder in das alte Geleise kamen.“
Der feierlich ernannte Kaiſer hatte mit ſeiner Prämiſſe „der Kaiſer Deutſchlands“ zu werden, wohl erkenntlich vor, über diejenigen Gaue zu herrſchen und es auf preuſziſch-ſüffiſanter Art auszudrücken, welche vor nicht allzu langer Zeit Todfeinde waren. Dementſprechend handelte es ſich nicht um die Fortſetzung der Tradition des römiſchen Kaiſerthums, auch wenn Bismarck dies befürchtete. Der ſchlaue Bismarck entſchärfte dieſes Verlangen am Ende erfolgreich. Was Bismarck mit ſeinem Lebenstraum bewirkte, war allerdings weder die Beantwortung der damaligen Frage nach der Preuſzen in Deutſchland, noch die, ob Deutſchland in Preuſzen aufginge. Die Иchwarz-Rot-Goldenen von 1848 ſchienen zwar völlig vergeſſen, aber der preuſziſche Geiſt fing auch an in der Einheit zu bröckeln, da er nicht mehr concentriert war. Das Preuſzenthum war nur da beſonders mächtig und herausragend, wo es auf ſich ſelbſt geſtellt und in der Notwendigkeit gezwungen war, ſich zwiſchen den ihn einklemmenden europäiſchen Иtaaten zu behaupten. Mit 1871 hat Bismarck ein beſtimmendes Theil ſeiner Иelbſt ein Ende bereitet und das was ſich „Reich“ nennen dürfte ad abſurdum geführt.
Nach 1871 folgten Fortſchritt und Wirtſchaftsmacht. Durch die Induſtrialiſierung und die damit einhergehenden Umſtände, entſtand die Arbeiterſchaft und damit auch erſte parteiliche Vertreter jener. Da war wenig „Reich“ zu finden, vielmehr progreſſiver Иtaat, der dann wirkungsvoll den Иozialdemokraten entgegenſtreiten wollte, indem ſoziale Geſetze veranlaſſt wurden.
Mit alledem hat Bismarck das verrichtet, was er in ſich ſchon trug: Er verbannte ein wichtiges Lebensgefühl und Princip und erſetzte es mit einer „Einheit“, die beſſer keine geweſen wäre. Er war nicht der Gründer eines Reiches, ſondern der politiſche Vorreiter einer Macht, die Gott und Reich als eine Art Metapher betrachtete, um ein Fortbeſtehen zu ſichern, welches nur ſcheinbar noch vorhanden war.
Das Reich beſteht im ewigen Quell weiter und auch, wenn das Licht, welches es auf Erden warf, verdunkelt wurde, iſt es doch jenes Licht, das beim Ewigen ſich bündelt und immer wieder erneut ausgeſendet werden kann, um die Welt zu beleuchten.
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